Erbaut aus jahrhundertealtem Waldwuchs, schmiegt es sich - einsam gelegen - im wohligen Schutz vor allen Wettern an den Berghang, der nach Süden in sanften Hügeln ansteigt. Wie die Tannen hoch in den Himmel ragen, aus deren geradlinigen Stämmen es vor Generationen gezimmert wurde, duckt es sich tief an den Boden, als wolle es eins mit ihm sein. So bietet es den Erntefrüchten aus Wald und Feld, die der Herbst ihm seit Jahrhunderten in schweren Wagen zuträgt, einen unbeschwerten direkten Zugang zu seinem fülligen Speicher unterm weit ausragenden Dachgebälk. Nur das Tor braucht durchfahren zu werden, schon ist man in seinem Schutz.
Allen Bewohnern, den Menschen und Tieren wärmendes Behagen bieten, ist sein Bestreben. Hier lebt man eng beisammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Das Schwarzwaldhaus bildet einen verschwiegenen Hort der Gemeinschaft von Mensch, Tier und Pflanze, dessen kleine niedrige Fenster unterm tief heruntergezogenen Dach bösen Geistern keine Chance lassen. Der eingeschnitzte Segensspruch am Eingangsbalken tut sein Übriges und die wärmende gute Stube, in der sich lange kalte Winter am grün gekachelten Stufenkamin wohlig aushalten lassen, lebt seit Generationen unter dem Schutz seines hölzernen Kruzifix im 'Herrgottswinkel'.
In selbstbewusstem Ernst streckt sich das Schwarzwaldhaus mit seiner ganzen hölzernen Schlichtheit aus dem einst gerodeten Hang heraus, bleibt aber in ihn so eingepasst, als gehörte es ihm seit eh und je. Nicht mehr wegzudenken aus dem weichen Hügel des satten Grün, das es ungezäunt umgibt. Lediglich der Schutz der Früchte seines Bauerngartens verlangt nach einem niedrigen hölzernen Lattenzaun. Ohne jeden Anspruch auf ein abgegrenztes Stück Grund und ökologische Korrektheit, lebt es - harmonisch eingebettet in seine landschaftliche Umgebung - mit der Natur und aus ihrem Schoß.
Wer eintritt, wird von den Türen geduckt. So begegnet man ohne Worte einer Vergangenheit, in der die Menschen noch von kleinerem Wuchs waren. Hölzern getäfelt strahlt von allen Wänden und Decken wohlige Geborgenheit auf den Besucher aus - historisch eingefärbt. Möbel und Haus sind aus ein und demselben natürlichen Material und so harmoniert das Innere genauso miteinander wie im Äußeren das Haus mit dieser Landschaft. Harte Brüche oder fremdartige Ungestimmtheiten modischer Herausforderungen überlässt es anderen. Architektur ordnet sich hier noch selbstverständlich in pragmatischer Zweckbestimmung unter die Tradition des lange Bewährten.
Was mag dieses Haus alles erlebt und gesehen haben. Ahnungsvoll sieht man sich um im Respekt vor seinem Alter und den hier durchlebten Erfahrungen vorangegangener Generationen. Nein, was uns heute anheimelt, hat auch Tränen gesehen und auch wieder getrocknet. Harmonien haben sich durch alle Zeiten im Gebälk seiner Wände erhalten, sie scheinen mit ihm verwachsen und strahlen nun ihre Ruhe und Gediegenheit als Kraft hinüber in eine so viel andere Zeit. Wie zufrieden mag das einfache und unmittelbare Erleben damals gemacht haben, als man autark und auf sich gestellt ohne technisches Fremdeln durchs Leben ging. Und führte der Weg auch mal in eine fremde Weite, so kehrte er zurück in dieses über die Zeit hinweg wohlbehaltene Haus.
Geradlinigkeit und Schlichtheit seiner Bewohner sind für seinen Stil nicht weniger prägend als das Holz selbst. Von kleinen gespaltenen Brettchen beschindelt, wie seit dreitausend Jahren hier üblich, strahlt sein mächtiges Dach den ganzen ländlichen Stolz in die hügelige Weite. Statt dem rauhen Draußen mit einer scharfen Spitze die Stirn zu bieten, schützt es sich abgeduckt vor jeder Zudringlichkeit. Erhalten wird seine Schale in der kleinsten Einheit, der Schindel, deren Halt nur eines unscheinbaren Nagels bedarf. Das ist sein ganzer Schmuck, den es nicht um seiner Erscheinung willen trägt sondern um - solide gepanzert - seine Bewohner vor den Unbillen von Wind, Wetter und aller Boshaftigkeit dauerhaft zu bewahren.
Hier lebt Heimat ohne jeden aufgesetzten Anspruch. Allein die schlichte Gediegenheit seiner selbst zieht wie ein Refugium zu sich zurück. Das Schwarzwaldhaus kennt weder Macht noch Hektik sozialer Zwänge, von denen es sich anstecken lassen müsste, um zu gelten. Seine Gültigkeit trägt es in sich als heimeliger Hort für die Generationen all seiner Bewohner - bis in unsere Zeit.